Sun, Here I Come

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Kdo jsem

HRP - Tag 18

Ich wollte ein Bett und sie gaben mir Liebe

24.8.2024

Olivier und Sandrine

Heute versuche ich gar nicht erst, früh aufzustehen, denn ich werde den größten Teil des Tages faulenzen. Ich beginne mit dem Frühstück, das ich luxuriöserweise in der Herberge bestellt habe. 

Es gibt Kaffee, Tee, Orangensaft, getoastetes Baguette, Butter und selbstgemachte Marmeladen von Olivier. Ich setze mich an den Tisch und denke verträumt an das übrig gebliebene Stück des gestrigen Blaubeerkuchens, als Olivier zu mir zukommt und MIR DEN KUCHEN BRINGT !! Es sind über 30 Gäste hier und er bringt den Kuchen mir! Einen Moment lang befürchte, vor Rührung zu weinen, bis ich es endlich schaffe, ihn anzulächeln, und er lächelt verständnisvoll zurück. Der Mann muss einen sechsten Sinn haben, telepathische Kräfte, oder ich sehe wirklich verwüstet aus.

Jedenfalls ist Olivier ein GUTER MENSCH und ich überlege, ihn zu fragen, ob er mich adoptieren möchte, damit ich für immer hier bleiben kann.

Nach dem Frühstück beantworte ich eure Nachrichten und zeichne die Route für die nächsten Tage in die Karte ein. Dabei trinke ich etwa einen Liter Kaffee. Als ich am Nachmittag aufbrechen will, sitzen Sandrine und Olivier gerade bei Kaffee und Kuchen und fragen mich, ob ich auch mitessen möchte. Das lehne ich natürlich nicht ab! Erdbeerkuchen mit Schlagsahne, ich glaube, ich hatte heute einen Herzstillstand von all dem Kaffee und BIN JETZT IM HIMMEL. Sie fragen mich nicht mal und bringen mir einfach noch ein Stück von dem Erdbeerkuchen und noch einen Kaffee mit Zucker :)) Woher wissen sie so genau, wie ich mich fühle? ICH LIEBE EUCH.

Wir machen ein gemeinsames Foto, ich bedanke mich ganz herzlich für alles und gehe traurig weg. Ich wollte ein Bett von ihnen und sie gaben mir LIEBE, FAMILIE UND EIN ZUHAUSE.

Ich gehe

Auf dem Weg zum Trail nehme ich in einer Bar noch ein halbes Baguette mit getrocknetem Schinken und Schafskäse. Ich werde erst in einer Woche oder so im nächsten Dorf ankommen, essen kann ich also jetzt oder nie :))

Ich steige

Der Trail verlässt das Dorf nicht anders als … steigend, während dem ich in den ersten zwei Stunden mehrere Nervenzusammenbrüche habe. Dafür habe ich mehrere Gründe:

  1. Der Rucksack ist vollgestopft mit Essen und schwer wie eine schwangere Kuh
  2. Ich schwitze ekelhaft in meine frisch gewaschene, saubere, gut riechende Klamotten
  3. Ich habe mich so überfressen, dass mir übel ist und ich kotzen möchte, darf aber nicht den Erdbeerkuchen erbrechen
  4. Ich denke an all die LIEBE, die sie mir gegeben haben. Ich habe sie nicht verdient, ich habe nichts dafür getan, und sie haben sie mir trotzdem gegeben. Ich bin sehr gerührt.

Ich halte auf und weine.
Ich passe auf, dass ich mich dabei nicht übergebe.

Ich überlege, dass ich in meinem Leben keine Liebe habe. Ich würde sie gerne von jemandem bekommen, und ich würde sie noch lieber jemandem geben. Ich würde sie umsonst geben, und ich würde sie geben, einfach weil wir sind. Es macht mich traurig. Mein Herz blutet, ein großer Strom von Traurigkeit strömt aus ihm heraus, wie aus dem Eisberg.

Sturm

Für heute Abend ist ein Gewitter angesagt, und da es noch nicht nach einem aussieht, beschließe ich, noch einen Pass zu überqueren, die Hourquette d’Alan, 2430m. 

Ich schaffe es, der Sturm kommt nicht und es war somit eine gute Entscheidung, aber es hat mich ziemlich gestresst. Ich verspreche mir, dass ich das nächste Mal darauf verzichte und lieber einen halben Tag lang in Ruhe im Refugio sitzen bleibe, an dem ich vorbeigelaufen bin. Ich weiß, dass ich dieses Versprechen wahrscheinlich nicht einhalten werde, und stresse weiter. 

Wenn ich schon auf der anderen Seite im Tal am Fluss bin, donnert es laut direkt über meinen Kopf. Ich beschleunige und rase zu der Schäferhütte, die ich für eine Notübernachtung in diesem Sturm geplant hatte. Ich krieche hinein, und genau in diesem Moment beginnt es draußen zu regnen. Mein Timing macht mir manchmal ziemlich Angst :))

In der Hütte schlafen wir am Ende zu fünft: Ema, Zefir (eh j’ai oublié… c’est juste?), Julie, Jean Sebastien und ich. Wir unterhalten uns und machen es uns selbst in der hässlichen Hütte gemütlich. Ich mag unser Gespräch sehr, jeder zeigt Interesse an dem anderen, wer er ist, wohin er geht und wie er sich fühlt. Wir sind alle ZUSAMMEN hier, nicht nur jeder für sich selbst. NUR NOCH SOLCHE BEGEGNUNGEN MIT MENSCHEN WILL ICH AB JETZT ERLEBEN, alles andere bedeutet NICHTS und es macht mir schmerzhafte Blasen auf der Seele, wie ein schlechter Schuh.

Gavarnie – Cabane d’Estaubé / 12,4 km / +1101 m / -709 m

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